„HOUDINI“ (2024) | Musikvideo-Review
Bezug zu Jackie Chan: keiner vorhanden
„And for my last trick…“
Harry Houdini wurde im Oktober an Halloween geboren und starb mit 52 Jahren in Detroit. Eminem stammt aus Detroit und wird diesen Oktober 52 Jahre alt. Nur ein Grund, warum seine neue Single den Titel „HOUDINI“ trägt.
Ich hab mir das Musikvideo direkt nach Erscheinen angesehen und wollte das alles erstmal sacken lassen. Ehrlich gesagt, hatte ich gemischte Gefühle. Auf der einen Seite empfand ich Nostalgie durch die unzähligen Referenzen, auf der anderen Seite breitete sich Fremdscham aus. „Cringe“ zu Neudeutsch…
In der Story geht es also um Slim Shady, der durch ein Portal aus dem Jahr 2002 ins Jahr 2024 schreitet und sich fragt, was zur Hölle hier eigentlich los ist. Mal ganz ehrlich, spricht er da nicht uns allen aus der Seele? Während Shady den woken Wahnsinn 2024 zerstören will, versucht die Welt ihn zu canceln und bedroht damit die Existenz von Eminem nach 2002. Deshalb muss der heutige Rapboy gegen sein altes Ich antreten, um selbst überleben zu können.
Die Story allein hat mehr Gehalt als die meisten Superheldengeschichten heutzutage und verhohnepiepelt sie obendrauf damit auch noch. Slim Shady eben, King of Mockery. Dr. Dre holt Em also in seinem gelben Lambo ab und fährt Rapboy zum Endkampf. Und da geschieht es, Slim Shady und Eminem verschmelzen. Doch zuvor klaut der alte Slim den labernden Podcastern das Mikrofon – was für ein Diss.
„They created a monster“, lesen wir, als der Hybride zurück ins Auto steigt und Dre mit seiner Scheißegal-Haltung dermaßen auf die Beats by Dre geht, dass der kurzerhand aussteigt. Wir hören Eminem sagen „ihr werdet mich nie wieder sehen“. Kündigt er damit echt seinen Rückzug aus dem Musikgeschäft an?
Eminems nächstes Album ist für diesen Sommer geplant und trägt den Titel „The Death of Slim Shady (Coup de Grâce)“. Doch wenn man Eminem und sein Alter Ego kennt, weiß man, dass es zwischen den Zeilen noch viel zu lesen gibt. Was genau er vorhat, wissen wir nicht. Vielleicht will er einfach nur selbst bestimmen, wann er Slim Shady cancelt. Oder ist er mit 52 tatsächlich erwachsen geworden und akzeptiert Slim als Teil von sich, sodass er beide an den Nagel hängt und nur noch als Marshall Mathers bekannt sein wird?
Wenn ich wetten müsste, würde ich darauf setzen, dass Eminems neues Konzeptalbum darauf aus ist, die gesellschaftlichen Unterschiede von damals und heute und deren bedenkliche Entwicklung aufzuarbeiten. Em wird Slim Shady wahrscheinlich zurück in seine Zeit schicken und sich eingestehen müssen, dass diese Figur heute nicht mehr funktioniert, trotz des Nostalgiefaktors der Gen X und Millenials. Der Tod des Slim Shady wird meiner Meinung nach aber somit von Em selbst verhindert, indem er ihn in die Vergangenheit verbannen wird. Er wird es inszenieren wie Sherri Papini. So meine Theorie.
Nachdem ich ein paar Tage darüber nachgedacht hab und mir das Video nochmal und nochmal ansah, kam ich zu meinem ganz persönlichen Fazit: Ich muss mich eher anstrengen, den Song zu hassen, als ihn zu mögen. Also akzeptier ich einfach, den alten Slim Shady als Teil meines Heranwachsens. Dann macht der Beat, das Sample und die Bars auch heute Spaß.
Früher war nicht alles besser, aber man merkt Eminem hier an, dass er Spaß hat. Es ist ein Spaßsong und es macht Spaß, ihn anzuhören. Vor 20 Jahren hätte man ihn im Radio gespielt (gibt’s das noch?). Damals wollten ihn die Eltern canceln, heute jammern die Kids über seine Aussagen, ohne den echten Slim-Shady-Wahnsinn je gehört zu haben.
Könnte man nun über CGI und AI meckern? Das ganze Namedropping, was viele immer noch als Diss missverstehen wollen? Ja. Aber abwarten. Megan Thee Stallion wird vielleicht ein Feature auf dem Album haben. Warum? Weil die ganzen Hater, die jetzt ins selbe Horn blasen und nach Eminem-Cancel schreien, dumm dastehen würden. Genau das würde Slim Shady in seinem Coup de Grâce machen, wenn er die Cancel-Culture canceln würde! Manchmal muss ein Held sich für etwas Größeres opfern.
Man kann von Em halten, was man will. Ich selbst bin weder Stan noch Hater, manches höre ich heute noch, um einiges mache ich einen Bogen. Er hat sich seinen Platz in den oberen Rängen des Rapgames allerdings hart erarbeitet.
Aus gefühlt jedem Battle trat er als Sieger hervor. Wenn man Em nicht besiegen kann, sollte man ihm sich anschließen. Er ist quasi unantastbar. Seine Imagepflege sagt das beinahe makellos aus und dabei hat Em in 30 Jahren für viele Skandale gesorgt. Doch er weiß sie zu nutzen und trifft auch jetzt wieder wie Entfesselungskünstler Houdini – Achtung: er entfesselt wen/was – den Nerv der Zeit.
Die Single war Kalkül und der Plan scheint aufzugehen. Wen anderes außer sich selbst, sollte er noch battlen können? Und die Frage aller Fragen bleibt: Wie ist das Portal überhaupt entstanden, durch das Slim Shady 2002 treten konnte?
Nostalgische 7,2 von 10 Sternen
Musikvideo | „HOUDINI“ (2024)
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© Shady Records, Synapse Productions